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Wenn Worte scharf wie Messer sind

 

 

In den vergangenen Tagen und Wochen sind sie mir als Leserin im Internet oft begegnet, gefühlt noch häufiger als sonst:

 

Worte, scharf wie geschliffene Messer.

 

Verletzende, kränkende Äußerungen, Lächerlich-Machen, Angriffe unter der Gürtellinie, Hetze und Schmähungen, teilweise sogar Drohungen.

 

An sich ist es nichts Neues, dass es das im Internet gibt. Es geht viel anonymer zu als etwa innerhalb einer  Dorfgemeinschaft. Auch wenn man unter seinem Klarnamen postet, kennt man seine „Gegner“ meist nicht persönlich.

Und wenn einer anfängt mit Lästern, ist es für andere leichter, sich anzuhängen und in dieselbe Kerbe zu schlagen.

 

Dennoch habe ich verbale Entgleisungen im Internet in letzter Zeit derart häufig bemerkt bzw. Diskussionen darüber verfolgt, dass es mich nun auch vermehrt beschäftigt.

 

 

So ging und geht es hoch her nach dem Suizid eines Wissenschaftlers und Autors, der mit seinen Erkenntnissen und Forschungsergebnissen auch immer wieder in der Öffentlichkeit präsent war.
Der Mann sah sich zu Lebzeiten massiven und teils gemeinen und unfairen Angriffen im Internet und in anderen Medien ausgesetzt.

Nun wird kontrovers diskutiert, ob und in welchem Maße diese Anfeindungen seinen Selbstmord verschuldet haben könnten.

Auch von belastenden Umständen im persönlichen Leben ist die Rede. Welche Rolle haben sie gespielt?

Ob sich das alles je abschließend klären lässt?

Bekannt ist jedenfalls, dass dem Mann die wiederholten öffentlichen Angriffe, die teilweise rufschädigend und verleumderisch waren, zu schaffen gemacht haben.

(Und frappierend ist, dass es nach seinem Tod weitergeht mit Gerüchten, Schuldzuweisungen und verbaler Aggression in verschiedene Richtungen.)

 

Was nun tatsächlich zu seinem Tod geführt hat, weiß ich nicht.

Traurig ist, dass ein begabter und engagierter Mensch nicht mehr lebt.

Traurig sind auch die unverhältnismäßige Boshaftigkeit und Häme, unter der er zu leiden hatte.

 

 

Auch in einem ganz anderen Bereich habe ich eine Beobachtung gemacht:

Eine prominente Dame hat mit ihrem Tanzpartner an einem Tanzwettbewerb im Fernsehen teilgenommen und ist als Erste ausgeschieden. Sie hat es ziemlich gelassen aufgenommen und sagte, es war dennoch schön, dabeizusein.

 

Auf Facebook gab es dazu bedauernde Kommentare, aber eben auch – absolut unnötig – hämische Reaktionen.
Ich zitiere:

„Du hast halt kein Rhythmusgefühl und bist sehr unbeweglich … so Abläufe wie beim Tanzen schaffst du nicht … dass du dich nicht nach Musik bewegen kannst … ach noch was, es gibt einen Spruch, der heißt „Schuster, bleib bei deinen Leisten“.

 

Für mich ist das zum Kopfschütteln. Abgesehen davon, dass es ja zum Konzept dieser Show gehört, dass Menschen, die vorher keine oder wenig Tanzerfahrung haben, teilnehmen und sich im Laufe der Zeit tänzerisch entwickeln können (also von wegen ‚Schuster, bleib bei deinen Leisten‘), frage ich mich:

Wozu denn jetzt nachträglich noch draufhauen?

 

Die Frau hat die Spielregeln akzeptiert, sie ist ausgeschieden, die Show geht weiter. Ein wenig bitter mag es trotz aller Gelassenheit vielleicht doch auch für sie gewesen sein.

Muss man ihr frühes Ausscheiden im Nachhinein noch auf diese Weise kommentieren? Nein, das kann man bleiben lassen. Die Schreiberin hätte sich ihre Worte sparen sollen - vielleicht nicht im privaten Kreis, aber auf jeden Fall im öffentlichen Internet.

 

 

Und ein drittes Beispiel:

Kürzlich hat der Bundespräsident ein paar Tage das Saarland besucht. Da er sich in einer Stadt aufhielt, in der ich seit Jahren beruflich zu tun habe, verfolgte ich einige Berichte zu seinem Besuch.

Und auch da sind mir auf Facebook reihenweise herablassende Kommentare begegnet.

Über das Tun und Lassen von Politikern lässt sich natürlich streiten. Auch ist es normal, dass so eine Reise mit ihren Programmpunkten von verschiedenen Menschen unterschiedlich bewertet wird.

Und doch gab es zu diesem Ereignis in den Kommentaren Auswüchse, denen ich fassungslos gegenüberstand.

 

Während der Politiker selbst etwa respektlos als „Käpt’n Unnötig“ bezeichnet wurde, bekamen auch Personen, die ihm begegneten, verächtliche Urteile ab: Mehrere Bürger und Bürgerinnen waren zu einem Gespräch mit dem Bundespräsidenten geladen worden. Dabei entstanden Fotos. Auf einem Bild war eine Frau mit Kopftuch zu sehen. Das kommentierte ein Leser mit den Worten: „Was sitzt denn da links außen, schäme mich gerade mal wieder fremd.“

Solche Worte sind unnötig und unverschämt.

 


Viele weitere Beispiele könnte ich anführen.

Diese Vorkommnisse sind bedrückend und geben mir sehr zu denken.

 

Ich weiß, dass es nicht aus dem Nichts geschieht, wenn Menschen andere dermaßen abwerten und beleidigen. Es hat viel zu tun mit ihrer Lebensgeschichte und ihren Lebensumständen.

Und ganz generell gehören auch Empfindungen wie Wut, Ekel, Frust, Enttäuschung, Hilflosigkeit, Schadenfreude und Eifersucht zum Menschsein.

Jeder fühlt auch mal so, ob man es „schön“ findet oder nicht.
Die Lösung kann allerdings weder sein, diese Empfindungen wegzudrücken und in sich hineinzufressen, noch, sie ungefiltert und ungehemmt an anderen auszulassen.

 

Aggression ist normal und menschlich, aber es ist unsere Verantwortung, sie so zu fühlen, durchzuarbeiten und auszudrücken, dass sie weder anderen noch uns selbst schadet.

 

Gefühle und Erfahrungen, die einem zu schaffen machen und zu unverhältnismäßiger Aggression anderen gegenüber führen, müssen bearbeitet werden. 

Wer bemerkt, dass er dazu neigt, auszurasten und sich (verbal) nicht mehr kontrollieren zu können, sollte sich aktiv mit dem Thema befassen. Wenn er alleine nicht weiterkommt, möge er sich Unterstützung suchen.

 

 

Dabei ist es durchaus immer wieder angebracht, manchmal gar notwendig, Dinge zu hinterfragen und kritische Rückmeldung zu geben.
Kritik kann im positiven Sinne herausfordern, zum Nachdenken und präzisen Argumentieren anregen. Diskussionen und Streitgespräche können Prozesse ins Rollen bringen, Perspektiven eröffnen und erweitern.

 

Worauf es ganz wesentlich ankommt, ist das Wie.

 

Wie steige ich in eine Diskussion ein?

Wie äußere ich Kritik?

Wie vermittle oder verteidige ich meinen Standpunkt?

 

Man kann in der Sache klar und bestimmt argumentieren.

Doch im Verhalten und in der Wortwahl anderen Personen gegenüber – auch wenn sie als Gegner wahrgenommen werden – sind Respekt und grundlegende Wertschätzung unabdingbar und unverhandelbar.

 

Im Internet hat alles von Vornherein eine potentiell große Öffentlichkeit und ein hohes Tempo. Einmal Gepostetes kann nur schwer endgültig gelöscht oder zurückgenommen werden.

Dennoch geht es nicht darum, Gefühle und Impulse ständig zu unterdrücken, um ja nicht anzuecken und nichts falsch zu machen.

 

Wenn dich Themen beschäftigen, umtreiben, stören:
Sprich aus, was dir auf der Seele liegt, was dir wichtig ist.

Schluck nicht runter, was dir ein Anliegen ist.

 

Aber bleib bei der Sache und beleidige nicht die Person.

Menschen sind verletzlich.

Worte, die auf persönlicher Ebene angreifen und scharf wie Messer sind, können dein Gegenüber treffen und verwunden.
Vielleicht schmerzen sie manchmal dauerhaft oder haben unabschätzbare schlimme Folgen.

 

Auch beim Ausdruck von Ärger und beim Ansprechen von Unstimmigkeiten:

Bleiben wir respektvoll dem anderen Menschen  gegenüber. Hantieren wir nicht mit gefährlich scharfen Klingen.

Das ist unser aller Verantwortung.

 

 

 

 

Bild von RaniRamli (pixabay)

 

 

 

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